Falls du auch schon mal das “Vergnügen“ hattest und einen psychosomatischen Klinikaufenthalt vorweisen kannst, kommen dir die Sätze „Die Klinik hat dir nichts gebracht!“, „Hat es denn geholfen?“ oder auch sehr geil: „Konntest du dich gut erholen?“, vielleicht verdammt bekannt vor. Ich fange mal mit dem letzteren an.
Du Fragst mich jetzt nicht wirklich, ob ich mich gut erholt habe, oder?! Die Sache sieht so aus, ich war in einer Klinik und nicht im Wellnessurlaub. Mir ist nicht mein Fingernagel abgebrochen und ich will auch nichts gegen meine Krähenfüße oder meine trockene Haut tun. Vielmehr habe ich Schmerzen, Alpträume und Panikattacken, verdammt noch mal, dagegen will ich was tun! Ich hab mich meinen tiefsten Ängsten gestellt, hab Licht in die noch so dunkelste und verwinkelste Ecke gebracht. Bin mutig all meinen Gefühlen begegnet und habe gelernt mir selbst die Hand zu reichen und mich selbst liebevoll in den Arm zu nehmen. Und du kommst mir echt mit der Frage: „Hast du dich gut erholen können?“ Ähm, warte kurz. Nein. Wirklich, alles andere als das.Genau das hätte die alte Madeleine, mit einem Wutball im Magen und einem zuckenden Auge gedacht. Übrigens auch bei der ersten Aussage der Anderen: „Die Klinik hat dir nichts gebracht.“
Und jetzt? Nein, solche Sätze lassen auch mich noch nicht ganz kalt, aber ich begegne dem Ganzen nun mit einem Schritt Abstand und mehr Mitgefühl meinem Mitmenschen gegenüber. Manchmal vielleicht noch nicht direkt in der Situation, aber zumindest kurze Zeit darauf und das ist auch schon sehr hilfreich für mich, der Rest wird kommen, das weiß ich. Ich will Geduld mit mir und den anderen haben!
Lieb gemeint, ist trotzdem Scheiße!
Klar sind solche Sätze wie: „Hat es denn geholfen?“ und „Konntest du dich gut erholen?“ lieb gemeint. Aber lieb gemeint kann trotzdem und verzeih mir bitte diesen Ausdruck, Scheiße sein! Es ist ganz einfach so, dass ich an solchen Sätzen sehe, dass derjenige wirklich keine Ahnung von dem hat. Also was es heißt in eine psychosomatische Klinik zu gehen, geschweige denn, von dem wie es mir geht und was ich dort durchgemacht haben könnte. An so einem Punkt ist es für Betroffene wie mich, einfach angenehmer ein Einfaches: „Schön, dass du wieder da bist“ zu hören, als alle anderen Verlegenheitssätze.
Nun können wir aber hier auch gleich wieder zu dem Thema kommen, ob es sich wirklich für mich lohnt, dass ich mich im inneren über solche Sätze aufrege. Ich denke nicht. Der bessere Weg für mich ist es, das ich im inneren einen Schritt Abstand zu allem nehme und mich im Mitgefühl meiner Mitmenschen gegenüber schule und somit nicht unter solchen Sätzen leide. Dann kann ich sogar freundlich bleiben, ohne dass ich mich und meine Gefühle missachte. Das ist wahre Heilung.
Das zeigt die Zeit
Nun möchte ich aber dennoch etwas auf den Satz eingehen: “Hat es denn geholfen?“. Diese Frage wurde mir kurz nach meinem Klinikaufenthalt gestellt. Ganz ehrlich, sowas wird die Zeit erst zeigen und zum damaligen Zeitpunkt hatte ich vor allem noch damit zu tun, erstmal wieder in meinem normalen Leben anzukommen. Jeder, der schon mal etwas länger weg war, wird mir Recht geben und sagen: „Mensch, jetzt muss ich mich erstmal wieder an meinen Alltag gewöhnen“. Denkst du, das ist nach einem Klinikaufenthalt nicht anders? Glaube mir, es ist noch viel schwieriger und dauert auch etwas länger. Nur eins hätte ich dir damals schon sagen können, es war DIE Erfahrung überhaupt und hat sich sehr gelohnt.
Tief durchatmen
Und da komme ich auch schon zu dem dritten Satz, welchen ich mir nach zwei Wochen Heimatluft anhören durfte: “Ich habe das Gefühl, die Klinik hat dir nichts gebracht.“ Hier ist erstmal tief durchatmen angesagt! Ich weiß, dass ich da nicht die einzige Entlassene bin, die so einen Satz um die Ohren gehauen bekommt, kurz nach ihrem Klinikaufenthalt. Ja, dieser Satz kann wehtun, muss er aber nicht. Soll ich dir sagen warum? Weil keiner außer mir weiß, wie es in meinem Inneren aussieht. Was ich denke, was ich fühle, was meine ersten Impulse sind, bevor eine Handlung folgt. Keiner außer mir weiß, was ich in den letzten Wochen gelernt habe und die meisten wissen auch nicht genau wie ein psychosomatischer Klinikaufenthalt abläuft und wie der Weg der Heilung aussieht.
Es ist menschlich
Außerdem kommen dann noch die Erwartungen dazu, die Erwartungen derer, die mich voller Hoffnung haben gehen lassen.Für die das ganze Thema eh schon schwer greifbar ist, die sich vielleicht versuchen in mich hineinzuversetzen oder in diese spezielle Thematik. Aber sind wir doch mal ehrlich, wer soll das alles verstehen, wenn selbst ich Jahre lang dafür gebraucht habe, um mich zu verstehen, um gewisse Vorgänge und Zusammenhänge zu erkennen. Wer von den anderen soll wissen, wie die Symptome verschwinden oder warum sie überhaupt da sind. Egal welche Symptome, es ist eine Wissenschaft für sich und es ist menschlich. Es ist menschlich, dass sie Erwartungen haben, dass sie nicht verstehen. Aber es ist auch menschlich, wie mein Körper reagiert.
Also warum ihnen den Satz: „Ich hab das Gefühl, die Klinik hat dir nichts gebracht“, überhaupt übel nehmen. Das wichtigste ist doch, das ich mich selbst verstehe, bei mir bleibe und weiß, was ich gelernt habe und das all die Anstrengung was gebracht hat. Erst wenn ich mich wirklich verstehe und mitfühlend mir selbst gegenüber bin, ist es mir egal, was andere Denken. Und wer weiß, vielleicht verstehen mich die Anderen dann auch plötzlich besser. In liebe, deine Madeleine
Wow, Hut ab für deine Kraft mit diesem Schicksal umzugehen!
Darf ich fragen, ob du dir Kinder wünschst und ob das mit dieser Diagnose „geht“? Ich meine, weil es bestimmt besonders hart sein muss, auch in der Schwangerschaft von solchen Schmerzen geplagt zu werden.
Toller Blog auf jeden Fall!
Hallo Johanna!
Danke, für deinen Zuspruch- ich freue mich sehr darüber.
Zum Kinderthema, es ist ein schwieriges Thema für mich. Ich weiß nicht, wie sich eine Schwangerschaft auf meine Schmerzen und die anderen Symptome auswirkt -kann positiv oder negativ sein. Es ist ja auch nicht nur die Schwangerschaft, danach ist ein wundervolles Wesen auf Erden, welches behütet und umsorgt werden möchte. Die Ängste werden größer und mehr arbeit fällt an. Ich glaube, das kann ich der Zeit leider nicht bewältigen. Klar macht mich das traurig, aber wer weiß wie sich die Zukunft entwickelt. Sich selbst damit unter Druck setzten bringt nichts. Ich arbeite an mir, den Rest wird man sehen.
Viele liebe Grüße,
Madeleine